Von Brian Kirk & Claus Grøn Therp, Senior Portfolio Managers, Jyske Bank
Dieser Artikel beleuchtet die Eigenschaft „risikoarm“ („low risk“) als Aktienanlagestrategie. Geklärt werden sollen die Eigenschaften der Strategie in einem globalen Aktienportfolio. Im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen stehen die Ursachen für die Existenz der Anomalie zwischen Risiko und Rendite. Der erste Abschnitt des Artikels beschäftigt sich mit der Eigenschaft „low risk“ als Anlagestrategie. Im zweiten Abschnitt wird erörtert, inwieweit es sich um eine wirkliche Anomalie handelt. Die Abschnitte drei und vier beschreiben die Vor- und Nachteile der Strategie. Zum Abschluss steht die Frage im Mittelpunkt, weshalb Risiko am Aktienmarkt nicht belohnt wird.
Hintergrund
Die Aktienmärkte waren in der Vergangenheit immer wieder von großen Drawdowns geprägt, beispielsweise von der IT-Blase im Jahr 2000 und der Finanzkrise im Jahr 2008. Obwohl Anleger in der Regel nicht mit einem Rückgang des Portfolios um 50 % rechnen, kommen solche Bewegungen immer wieder vor. So fiel der amerikanische S&P 500-Index beispielsweise von seinem Höchststand im Oktober 2007 bis zum Tiefststand im März 2009 um mehr als 50 % (vgl. Abb. 1). Entsprechend gab der globale Aktienmarkt gemessen am MSCI AC World-Index allein im Jahr 2008 um mehr als 40 % nach.
Solche Kursstürze können katastrophal sein, beispielsweise für Pensionskassen oder private Anleger die kurz vor der Rente stehen. Diese großen Kurseinbrüche haben Anleger in letzter Zeit immer häufiger dazu veranlasst, das Risiko in ihren Aktienportfolien neu zu bewerten. Viele Anleger haben erkannt, dass die Volatilität am Aktienmarkt mitunter ihre Risikosysteme überfordert, und suchen einen besseren Schutz für ihr Kapital und gleichzeitig eine marktähnliche Rendite. Deshalb richtete sich das Augenmerk der Anleger nach der Finanzkrise verstärkt auf die Qualitäten von risikoarmen Strategien - Qualitäten, die darin zum Ausdruck kommen, dass solche Strategien gewinnen, indem sie in einer Situation mit einbrechenden Aktienkursen nicht ebenso viel verlieren wie der Gesamtmarkt. Ein Anleger, der eine Rendite von 30 % erlebt und anschließend einen Verlust von 30 % hinnehmen muss, hat ein höheres Endvermögen (minus 9 %) als ein Anleger, der eine Rendite von 40 % erlebt, gefolgt von Verlusten in Höhe von 40 % (minus 16 %). Eine risikoarme Strategie kommt daher insbesondere bei einer mehrperiodischen Betrachtung zur Geltung, bei der ein Zinseszinseffekt sichtbar wird. Bemerkenswert ist hier, dass Kurseinbrüche von mehr als 20 % historisch gesehen ein wiederkehrendes Ereignis am Aktienmarkt sind. So gab es beispielsweise am amerikanischen Aktienmarkt seit 1950 alle sechs Jahre einen Kurseinbruch von mindestens 20 % (vgl. Abb. 1).